Das Malspiel

Das Formulationsspiel im Malort

Sehr früh sind in der Geschichte der Menschheit bildnerische Spuren entstanden; und immer spielten sie eine kommunikative Rolle. Im Rahmen der gesellschaftlichen Entwicklung gingen Bilder nach und nach zu Schriftzeichen über; aber auch in seiner darstellenden Funktion bestand das Bild weiter. Es war dazu bestimmt, beim Betrachter Gefühle, Empfindungen oder Gedanken auszulösen. Die Dringlichkeit der Kommunikation beschlagnahmte gewissermaßen die Ausdruckmöglichkeit der Spur und verdrängte somit eine weitere, wichtige Rolle der Äußerung. 

Aber wem ist überhaupt bekannt, daß es eine andersgeartete Spur geben kann? Von dieser bisher unerprobten Äußerung – zu der die verkümmerte Anlage in jedem Menschen nur erweckt zu werden braucht – soll hier die Rede sein. Zum Wachrufen und vollem Erleben dieser Äußerung hat Arno Stern vor 50 Jahren den Malort geschaffen, wo das Unübliche zur Gewohnheit wird, wo sich das nie zuvor Geäußerte zur Muttersprache entwickelt.

Es wäre irrtümlich, diese Äußerung dem Bereich der künstlerischen Schöpfung zuzuordnen. Auch ist sie kein willkürliches, zufälliges Austoben. Die im Malort entstehende Spur gehört einem Universalgefüge an, das von Arno Stern als Formulation bezeichnet wurde. 

Die Formulation hat ihren Ursprung in den Aufzeichnungen der organischen Erinnerung. Es ist wichtig, dies zu wissen, und auch, daß sie jeder kulturellen Beeinflussung entgeht. Sie beginnt früh im Kindheitsalter und begleitet den Menschen sein Leben lang.

Allerdings sind für diese Entwicklung der Spur die schutzgewährenden Bedingungen des Malortes unentbehrlich, die Betrachtung, Wertung, Deutung ausschließen und bezwecken, daß die malende Person ihre Spur mit keiner Spekulation verbindet.

Allein unter diesen Umständen entsteht das unbeschwert lustvolle Formulationsspiel, das den Menschen von hemmenden Vorurteilen und eingeprägten Begriffen befreit und zu einem natürlichen Wiederfinden mit sich selbst führt.

 

 

 

 

 

Text und Bilder von Arno Stern.